Sri Lanka Herbst 2017 – Projektbesuche im Süden und Osten | von Inga Bethke-Brenken
Freundin Annette Königsbüscher und ich haben uns aufgemacht nach Sri Lanka. Annette war noch nie auf der Insel und sehr gespannt auf Land und Leute. Und natürlich auf die Besichtigung unserer Projekte.
Treffen mit Vorstandsfrauen von Senehasa
Unser erster Kontakt – noch in Colombo – war ein Treffen mit Pushpa, der Vorsitzenden von Senehasa, und der Finanzverantwortlichen dieser Behinderteneinrichtung, Azra. Wir erhalten die Finanzabrechnungen und werden gebeten, unsere Zahlungen für die zwei Tanz- und Körpertherapeuten etwas zu erhöhen. Begründung: der Vorstand von Senehasa befürchtet, dass die qualifizierten Kräfte möglicherweise Lockangeboten folgen könnten und die Therapeuten dann ihren Arbeitsplatz wechseln würden. Das wäre besonders schade, weil wir ja schon in den letzten zwei Jahren erlebt haben, wie gut deren Draht zu den Kindern ist und wie qualifiziert das Ergebnis der Übungen mit den Behinderten sich uns darstellt. Wir verweisen auf unser nächstes Vorstandstreffen zur Finanzsituation im Februar 2018.
Statt der im letzten Jahr vorgeschlagenen Idee, die Kinder nach Deutschland reisen zu lassen, haben die Verantwortlichen von Senehasa ein Fest plus Übernachtung in einem Hotel in Galle organisiert. Alle Kinder, Eltern und Erzieher sind eingeladen. Ein Fest, von dem noch lange gesprochen werden sollte. Schade, dass unsere Reiseroute eine Teilnahme ausschließt.
Ein Thema, dass die Zukunft der Jugendlichen betrifft, beschäftigte uns schon im letzten Jahr: Was können die Behinderten lernen, um sich selbst zu versorgen, um ihr eigenes Geld zu verdienen? Wozu sind sie in der Lage? Wir werden erinnert, dass die Jugendlichen sich beim Tanzen überraschend ausdauernd und konzentriert zeigen, dass aber ansonsten nur kurze Konzentrationsphasen möglich sind.
Die schon praktizierte Anfertigung von Tüten hat sich in Bezug auf die Produktion zwar positiv entwickelt, die regelmäßigen Produktionskosten für Packpapier seien aber hoch, so dass der Verdienst sehr niedrig ist.
Pushpa und Azra machen den Vorschlag, eine Wäscherei zu gründen. Dort würden einfache Arbeiten für die jungen Menschen anfallen, zum Beispiel die Wäsche zusammen legen, Wäsche in die Maschine einfüllen, Wäsche entnehmen. Die Bedienung der Maschinen wäre zu kompliziert. Die Kosten für die Einrichtung so einer Wäscherei wären überschaubar, zwei Waschmaschinen und zwei Tische sollten beschafft werden. Die regelmäßigen Kosten würden sich belaufen auf Miete eines Raumes, Strom, Wasser und Waschmittel. Eltern könnten die Aufsicht der Jugendlichen übernehmen.
Wir tragen die Idee einer Bäckerei für Kekse vor, die im letzten Jahr in Senehasa angedacht worden war. Pushpa und Azra erscheint so ein Projekt zu kompliziert.
Fortbildungskurse von CWF
Unser zweiter Besuch gilt Mr. Opatha, dem führenden Leiter der Kleinstkreditefür mittellose Frauen. Mr. Opatha will uns diesmal als Erstes unser neues Projekt, nämlich die Fortbildungskurse inEnglisch und Computer für junge Frauen und Männer zeigen. Neu für uns ist, dass die Büroräume von CWF (Creative WomensFoundation) sich verändert haben: die Familie, die die Räume im Haus ihrer verstorbenen Mutter zur Verfügung gestellt hatte, nutzt sie nun selbst. Drei Räume im Obergeschoss eines Einzelhauses im selben Ort, in Ginimellagaha, sind nun das neue Domizil von CWF, eine Wand muss noch erneuert werden.
In einem der Räume findet Englischunterricht statt. Zur Begrüßung erhalten wir als Vertreter des Sri Lanka Vereins und Geldgeber einen Blumenstrauß. Eine junge Frau, ehemalige Studentin der Betriebswirtschaftslehre und jetzt Angestellte einer Bank in Colombo, unterrichtet an jedem Wochenende 12 junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren. Nach unserer Einschätzung ist der Unterricht monoton. Vielleicht trauen sich die Studenten auch nicht, sich in unserer Gegenwart zu äußern. Beim Thema „Tagesablauf formulieren“ unterstütze ich die Lehrerin mit meinem eigenen Tagesablauf-Beispiel, was die Situation ein wenig auflockert. Zum Abschied erheben sich alle Schüler höflich nach englischem Vorbild.
Mr. Opatha lädt uns in sein Haus zum Lunch ein. Frau und älteste Tochter Kumari haben gekocht, der Sohn hat den Tisch gedeckt. Auch MrWickramasinghe, der zum Vorstand von CWF gehört, ist inzwischen aus Colombo angekommen. Alle außer uns essen mit den Fingern: Geschickt werden Reis und Beilagen geknetet, zu kleinen Bällen gerollt und dann in den Mund gesteckt. Annette und ich halten stur an Messer und Gabel fest.
Dann geht es los zur Hospitation beim Computerunterricht. Überraschung: Die Lehrerin ist Mr. Opathas Tochter Kumari, die im nächsten Monat ihr Studium der Chemie in Colombo aufnehmen wird und am Wochenende regelmäßig ins beschützende Zuhause reisen muss. Als strahlende, empathische Lehrerin steht sie vor uns. Auch sie hat 12 junge Leute als Studenten im Alter zwischen 14 und 20 Jahren vor sich sitzen. Sie stellt uns vor, hat viel Schwung beim Unterrichten. Nach der Theorie kommt ein Praxisteil: zu Dritt teilen sich die jungen Leute einen PC. Sie klemmen sich vor das Gerät und machen den Eindruck, dass sie sehr interessiert sind am Lernen.
Kleinstkreditnehmerinnen
Wir fahren zu einer Fortbildungsveranstaltung von Kleinstkreditnehmerinnen und anderen interessierten Frauen, die möglicherweise einen Kredit beantragen wollen. Zu einer Fortbildung, wie Papadam am besten zuzubereiten ist, war eingeladen worden. In einer Halle sitzen 35 Frauen um zwei Kochplatten herum, an denen ein Lehrer die Zubereitung von Papadamzeigen wird. Alle Frauen haben Papier und Stift zur Hand. Wie schon üblich werden wir mit einem Blumenstrauß begrüßt und an einen festlich geschmückten Tisch geführt, um von dort aus der Fortbildung beizuwohnen. Herr Opatha hält eine Einführungsrede, Herr Wickramasinghe übersetzt, und ich muss eine Begrüßungsrede anschließen.
Der Lehrer zeigt die Zutaten: besondere Mehlsorten, Wasser und Salz, Kokosnussöl, und er erklärt die Rezepte. Die Frauen schreiben fleißig mit. Wir stellen uns zusammen mit ihnen um die Kochstellen herum, beobachten, wie Zutaten gemixt (auf Zeitungspapier) und Kugeln geknetet werden, wie Rollen gedreht und platte Formen mit den Handballen gedrückt werden. Die Mehlformen werden in Töpfe mit heißem Öl geworfen, eine Minute dauert es, bis sie oben schwimmen, rausgefischt werden und abtropfen können. Nach ein bis zwei Stunden sind die Papadam essbar.
In einer Pause während des Kurses versammeln sich neun Frauen an unserem Tisch. Sie blicken ernst und etwas traurig oder enttäuscht. Es sind Kreditnehmerinnen, die Seile herstellen. Im letzten Jahr haben sie sich beherzt in Zweier- und Dreiergruppen zusammen geschlossen, haben einen Verein gegründet, um die Seile selbständig und ohne Zwischenhandel zu verkaufen. Ein halbes Jahr lang hat sich ihr Verdienst enorm erhöht. Inzwischen sind jedoch die Transportkosten für die Kokosfasern, die in dicken Paketen angeliefert werden, so enorm gestiegen, dass der Erlös für den Verkauf der Seile und Matten sich sehr verringert hat. Die Bitte der Frauen: sie wünschen sich vom Srilankaverein den Kauf einer Maschine, um selbst die Kokosfasern herstellen zu können. Einen Platz für den Aufbau der Maschine haben sie schon verabredet. Kokospalmen gäbe es genug. Der Haken: so eine Maschine kostet etwa 1,5 Millionen rs, das sind etwa 9000,-Euro. Eine Summe, die unser Verein bestimmt nicht aufbringen kann. Wir verweisen auf unsere nächste Finanzplanung in Hamburg, würdigen noch, dass die Frauen sich zu einer Kooperative mit 20 Mitgliedern zusammen geschlossen haben, um gemeinsam ihr Projekt durchzuziehen.Sie haben Elsi zur Präsidentin gewählt und sind gut informiert, dass und wie die Seile nach Korea, Dubai , Italien und Deutschland exportiert werden.
Besuche bei Kleinstkreditnehmerinnen
Eine schöne Fahrt ins Inland vorbei an Palmenhainen, Reisfeldern und Zimtbäumen führt uns zu Tekla.
- Tekla, die bildhübsche junge Frau, 24 Jahre alt, ist geschieden, hat zwei kleine Kinder und lebt in einem Haus zusammen mit Mutter und Bruder. Sie näht Beutel aus Kunststoff und verkauft sie an Zwischenhändler für 35 Rupies das Stück. Zur Anfertigung einer Tasche braucht sie 20 Minuten, d.h. in einer Stunde verdient sie dreimal 35 rs, also 105 rs- am Tag – ein Hungerlohn!
Mr. Opatha und Mr. Wickramasinghe sind entsetzt. Sie diskutieren lange, dass Tekla mehr Geld einfordern muss. Hier fehlt mindestens noch die Schulung in kaufmännischen Grundlagen. Wir kaufen Tekla Baumwolltaschen mit schönen Motiven ab. Die Schneiderin verlangt zu wenig Geld von uns, wir geben natürlich viel mehr als sie fordert.
- Anusha züchtet Pflanzen, besonders verkaufsträchtig sind die leuchtenden Flamingoblumen und die Orchideen. Die vom Kleinstkredit gekauften Netze als Sonnenschutz schlucken 70 % der UV-Strahlen und lassen die Blumen gut gedeihen.
- Warsanna hat früher in einer Kleiderfabrik gearbeitet, jetzt näht sie zuhause. In einem dreimonatigen EDI-Programm ( 15.000 rs) hat sie gelernt, neben Kinderkleidung auch Vorhänge zu fertigen. Sie ernährt mit dem Verkaufserlös ihre drei Kinder Glücklich erzählt sie von einem Festival in Unawattuna, auf dem sie alle Stücke zügig verkaufen konnte. Die Organisatoren des Festivals haben extra einen Bus für die Produzenten gemietet, damit ein Verkauf sicher gestellt werden konnte.
- Swarna hat einen neuen Erwerbszweig für sich entdeckt: nachdem sie durch Stickereien von Kissenhüllen und Tischdecken ihr Geld verdient hat, arbeitet sie jetzt mit einer Gewürzmühle und verkauft erfolgreich Gewürze in kleinen Tüten. Swarna ist Witwe, ihr Mann ist im Bürgerkrieg umgekommen. Ihr erster Sohn studiert inzwischen, der zweite hat gerade seinen A-Level gemacht.
Swarna gehört als einzige Kleinstkreditnehmerin zum Vorstand von CWF. Sie kümmert sich um die Kreditnehmerinnen aus ihrer Nähe: einmal im Monat treffen sich 10 bis 15 Frauen in ihrem Haus, um über ihre Probleme mit dem Verkauf ihrer Produkte zu reden oder über Dinge, die sie persönlich belasten. Eine Intervisionsgruppe, wie sie auch manchen deutschen Arbeitnehmerinnen gut tun würde.
- Sirani aus Attagama fertigt Blumentöpfe an. Wir haben nicht viel Zeit, die Produkte zu bewundern, weil die Frau von Piananda, der Mr. Opatha beim Übersetzenhilft, einen Autounfall gehabt hat und Pianandahöchst beunruhigt schnell zum Krankenhaus nach Karapitiya fahren möchte. Siranis freundlicher Ehemann und ihre Mutter haben Verständnis für unseren Kurzbesuch. Es scheint für alle selbstverständlich zu sein, dass wir unsere Besichtigungen bei den Kreditnehmerinnen abbrechen müssen.
Besuch bei Senehasa, einer Einrichtung für behinderte Kinder
Disna und Lushani begrüßen uns herzlich.Sie begleiten uns zu einer Musik- und Tanzübungsstunde für Kinder zwischen fünf und siebzehn Jahren. Zuerst zeigen uns die Älteren einen Tanz von Soldaten(?) vor ihrem König.Es ist beeindruckend, wie konzentriert die Jugendlichen auf Rhythmus und Schrittfolgen achten. Dann folgt die Vorführung eines Pfauentanzes von einer Sechzehnjährigen, deren Tanzfähigkeiten schon im letzten Jahr auffällig gut waren, ein weiterer Solotanz über eine Bäuerin und ihre Ernte wird gezeigt. Die Musiktherapeutin begleitet den Tanz mit Gesang.
Neu ist, dass sich eine Jugendliche abschließend für unser Kommen bedankt und uns einen schönen Tag wünscht. Eltern hatten bei vorherigen Besuchen diese Aufgabe übernommen.
Bei Tee und Sandwiches – von den Jugendlichen vorbereitet – überlegen wir gemeinsam mit Lushani und Disna, was die Jugendlichen zur eigenen Selbstversorgung lernen sollten. Ihre Fertigkeiten im Tüten Kleben haben sich sehr verbessert. Kleine weiße Tütchen für Tabletten, zu deren Produktion verbesserte Fingerfertigkeit und Geschick und vor Allem Geduld gehören, werden gut verkauft, doch der Erlös für die Jugendlichen ist gering, weil die Materialkosten abgerechnet werden. Der Vorschlag, eine Wäscherei einzurichten, wird abgelehnt: zu hohe Kosten, giftiges Waschpulver und unregelmäßige Mitarbeit von Eltern. Der Vorschlag von Lushani und Disna selbst, „Kekse backen und verkaufen“, wird vorgetragen. Einmal wöchentlich soll gebacken werden unter Aufsicht von Eltern und unter Anleitung eines Lehrers, die Backwaren sollen dann vor dem Krankenhaus von Karapitiya verkauft werden. Der Backraum selbst kann in den Räumlichkeiten von Senehasa eingerichtet werden. Besorgnis herrscht bei dem Gedanken, ob die Eltern das Projekt zuverlässig unterstützen würden. Mein Vorschlag, den Eltern einen Geldbetrag für ihre Aufsicht zu zahlen und sie damit zur Mitarbeit zu verpflichten, wird freudig angenommen. Meine Idee: Der Sri Lanka Verein könnte finanziell unterstützen. Wir ermuntern den Vorstand von jSenehasa, sich auf ein Projekt zu einigen und uns Bescheid zu geben.
Projektidee: Behindertenschule Sirisangabo
Unser nächster Besuch gilt der Sirisangabo Special School in Pasyala, einer Schule für behinderte Kinder. Auf einem Hügel in der Wildnis steht ein altes, bunt bemaltes Schulgebäude. Frau Kerber, eine Deutsche und Initiatorin des dahinter liegenden Neubaus, kommt uns zur Begrüßung entgegen und führt uns in eine Miniwohnung, die sich in dem Neubautrakt befindet. Sie ist für Gäste vorbehalten.
Frau Kerber erzählt uns die Geschichte der Schule: Der Schulleiter hat das alte Gebäude erworben und renovieren lassen für den Unterricht von behinderten Kindern. Er selbst ist persönlich betroffen: sein Kind ist behindert. Seine Frau, eine Lehrerin, und er wollten dem eigenen Kind und anderen aus der näheren Umgebung von Pasyalaeine Möglichkeit zum Lernen eröffnen. Der Kontakt zu Frau Kerber entstand, weil Frau Kerber – Mutter eines adoptierten srilankischen Kindes, das sich als behindert herausstellte, selbst betroffen ist und schon in Kalutara eine Schule für behinderte Kinder aufbauen wollte.
Dagegen waren die Mönche des Ortes – das wäre zu aufregend für Kalutara. Bald entwickelte sich der Kontakt zum Schulleiter von Pasyala, und ein gemeinsames Projekt entstand: ein Schulneubau neben dem alten.
Frau Kerber führt uns herum, hinter dem Altbau erstreckt sich ein Schulneubau, der erst teilweise bezogen ist. Im Parterre sind Gestühl und Tische schon vorhanden, und der Unterricht findet statt (heute nicht, es ist Poyaday, Vollmond), im ersten Stock müssen vor dem Bezug noch einige Bauarbeiten erledigt werden. Frau Kerber hat das Geld für den Neubau in Deutschland und in der Schweiz eingeworben. Was jetzt noch fehlt, ist eine Wasserleitung mit Pumpe, um die Schule auf dem Berg eigenständig mit Wasser versorgen zu können. Zur Zeit wird das Wasser aus umliegenden Privatbrunnen genutzt, was kein Dauerzustand ist.
Ein weiteres Projekt soll eine Behindertenwerkstatt sein, in dem ältere Jugendliche handwerkliche Tätigkeiten erlernen können, um später einen Beitrag für ihren Lebensunterhalt zu leisten. Eine gute Projektidee, meinen wir, für unseren kleinen Verein aber einige Nummern zu groß. Doch es gibt auch die Möglichkeit, mit kleiner finanzieller Unterstützung die Schule zu fördern: durch die Finanzierung von Computern zum Beispiel, durch Spiel- und Lernmaterial. Darüber werden wir im Sri Lanka Verein demnächst sprechen.
Projekt Tanzschule
Zur weiteren Projektbesichtigung fahren wir nach Amunugama in der Nähe von Kandy, um die Tanzschule zu besuchen.
Waidiyawathie hat uns zum Mittagessen eingeladen. Ich bin stolz, den Pfad durch das brach liegende Reisfeld zu Waidiyawathies Haus oben auf dem Hügel zu finden. Wir genießen zusammen mit Neffen Janaka und unserem Fahrer das leckere Rice and Curry (natürlich ohne unsere Köchin am Tisch: Waidiyawathie bedient uns nach srilankischer Sitte, füllt nach und freut sich, dass es uns schmeckt). Wir besichtigen nach einem halsbrecherischem Abstieg Waidiyawathiesneuen Garten und klettern endlich zur Straße hoch, um auf der gegenüber liegenden Seite die Tanzschule zu betreten. Waidiyawathie ist es unangenehm zu sagen, dass sie keine Rechnungen der Handwerker vorweisen kann: der Tischler sei plötzlich gestorben und die Handwerker alle abgehauen – wohl in den Süden. So fehlt nach drei Jahren immer noch ein schmaler Teil der Bedachung. Der Tanzraum wurde inzwischen sehr schön renoviert. Der neue Holzfußboden ist noch uneben. Er soll demnächst geschliffen und gelackt werden. Trotz alledem tanzen die Schülerinnen und Schüler fleißig darauf – undenkbar für deutsche Ansprüche und doch Realität in dem fremden Land. Wir müssen akzeptieren lernen, dass die Kinder diesen Widrigkeiten zum Trotz Preise gewinnen für ihre Tanzkunst, worauf Waidiyawathie wirklich stolz sein kann.
Projektidee: Waisenhaus für Mädchen Grace Care
Zum Abschluss unserer Projektbesichtigungen haben wir uns im Grace Care, Home for Children, einem Waisenhaus für Mädchen, bei Trincomalee angemeldet. Wir werden von Angela, der Leiterin des Heimes, begrüßt. Ein Vertreter des Vorstandes ist dabei und eine junge Frau, Jessi, 21 Jahre alt, die schon als Waisenkind im Heim aufgenommen worden war. Jetzt sorgt sie für Ordnung in Haus und Garten – der Garten muss teilweise noch und immer wieder gerodet werden – kümmert sich um die Kinder, bietet PC-Kurse für die Kinder an und arbeitet auch an der Buchhaltung mit.
Gemeinsam besichtigen wir die Häuser. 35 Kinder leben im Grace Care. In den spartanisch eingerichteten Zimmern für die älteren 18-jährigen stehen zwei bis drei Betten. Die Habe der Mädchen ist in kleinen Schrankfächern und in Taschen verstaut. In den zwei Schlafsälen der jüngeren und kleinen Mädchen stehen 11 und 13 Betten. Jedes Kind hat ein Fach für seine Habseligkeiten, auf allen Betten liegt ein Kuscheltier.
Es gibt zwei schlichte Gästezimmer mit Bad, die auch gemietet werden können. Ein paar Gewürzpflanzen werden in Töpfen vor den Türen gepflegt. Auf dem Dach ist eine Photovoltaikanlage angebracht – Strom ist teuer, die kostengünstige Alternative mit Sonnenenergie lohnt sich.
Im hinteren Teil des Waisenhauses leben alte Menschen, es scheint Jessie peinlich zu sein, an den teils etwas verwirrten Seniorinnen mit uns vorbei zu gehen.
Wir erleben, wie für die wenigen Hindukinder extra gekocht wird, eine junge Frau bereitet das Essen in einem kleinen Raum zu.
Uns wird ein Haus gezeigt, das frisch renoviert wurde, darin ein Versammlungsraum und eine Bücherei. Hoch oben an der Wand hängt ein Foto von der Einweihung nach der Renovierung. Stolz berichten Angela und Jessie, dass auch eine gewisse Kumudhini gekommen sei, die Geld gespendet habe. Als ich erwähne, eine Kumudhini zu kennen, klettert Jessie hilfsbereit auf einen Stuhl, um das gerahmte Foto hoch oben abzunehmen. Tatsächlich, mitten zwischen den Gästen steht Kumudhini Rosa, die zum Vorstand der Creative Women Foundation von unseren Kleinstkreditnehmerinnen gehört. Große Freude unsererseits sowie von Seiten der Heimleitung.
Zurück im Büro erwartet uns der alte Herr, Vorstand im Rotary Club Europa-Asien und Vorstand im Verein von Grace Care. Er und Angela sind sichtlich enttäuscht, dass wir kein Geld für die Renovierung dabei haben. Erneuert werden sollen die Häuser der vier älteren, über 18-jährigen Mädchen. Ihnen wird die Chance geboten, im Heim noch zwei Jahre zu leben, wenn sie eine Art Lehre machen. Es ist nämlich Gesetz, dass alle Waisenkinder im Alter von 18 Jahren die Heime verlassen und in ihre Familien/Großfamilien zurückkehren müssen. Die Heimleitung von Grace Care befürchtet, dass sie dann nichts Weiteres lernen werden, um finanziell unabhängig zu werden. Und dass sie in der Regel schnellstmöglich verheiratet werden, um eine Kostgängerin in den Familien weniger zu haben.
Wir schlagen vor, dass wir im Sri Lanka Verein beantragen wollen, 1000,- € für die Renovierung des Hauses für die jungen Frauen bereitzustellen – möglichst noch in 2017, um auf diese Weise indirekt in die Zukunft der Mädchen zu investieren. Vielleicht wäre auch eine finanzielle Beteiligung vom Lemonaid und Charitea-Verein möglich. Der alte Herr aus dem Vorstand will dazu zügig einen Projektantrag schreiben. Er wird noch in diesem Jahr die Renovierung der Zimmer veranlassen, damit sie Weihnachten in einem ansehnlichen Zustand sein können.
Ayubowan Vannakam Tschüss